Historische Bilder

Im 1. Jt. haben sich Theologen und Konzilien gedanklich mit der im Neuen Testament vorgeblideten Drei-Einheit-Gottes befasst. Dabei spielen auch Sprachbilder und Metapher eine wesentliche Rolle. Die bildhafte und figürliche Darstellung tritt im 2. Jt. in den Vordergrund. Die älteste bildliche Darstellung beruht auf dem typologisch gedeuteten Besuch der drei Männer bei Abraham in Mamre (Gen 18,1–16). Dabei werden drei gleich aussehende, junge Männer nebeneinander dargestellt. Das früheste erhaltene Beispiel findet sich in der Katakombe an der Via Latina und stammt aus dem 4. Jahrhundert. Spätere Darstellungen stellen die drei Männer an einem Tisch sitzend dar und fügen ihnen Merkmale der Engeldarstellung bei. Als Höhepunkt dieses Bildtyps kann die Ikone von Andrei Rubljov aus dem 15. Jahrhundert gesehen werden.

TAFEL1  Bad Aussee, Spitalskirche, Altartafel  (1449):  „Gnadenstuhl“

Ist Gott nur ein gerechter Richter?
Der Gnadenstuhl zeigt sich hier als Richterstuhl. Gott-Vater thront darauf als Richter mit strengem Blick. Er fordert Genugtuung für alle begangenen Sünden. Nur der ihm ebenbürtige Sohn vermag dem Vater solche Genugtuung zu leisten. Gott hat ihn dazu bestimmt, Sühne zu leisten durch sein Blut“ (Röm 3,25).
Dieses Bild scheint ganz streng und starr zu sein.  –  Doch bei genauerem Hinsehen ist eine doppelte Bewegung zu erkennen: ein Hinauf und ein Herunter.
°    Gott-Vater sitzt auf seinem Thron. Er nimmt das Opfer des Sohnes – Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (Lk 23,46) – an. Das ist die aufsteigende Linie; und
°    Er gewährt die Gnade der Erlösung durch den Tod (und die Auferstehung) seinen Sohnes in der Kraft des Heiligen Geistes. Das ist die absteigende Linie.
Der Blick auf den Sohn, der in seinem Sterben auch mein Sterben, auf sich genommen hat, teilt eine tröstende Botschaft mit: „Eine größere Liebe hat niemand als einer, der sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh  15,13),  ja, der sogar seine Feinde durch seine Liebe „ent-feindet“ (Pinchas Lapide) und so zu Freunden macht in der Kraft seines Geistes, den er sterbend als seinen Liebes¬brief aufgibt, damit er – auch bei mir – ankommt.
Liebt einander, wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben!  (Joh 15,12)
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 2    St.Lambrecht, Schloss-Kapelle, Schnitzaltar (um 1530): „Trinitarische Marienkrönung“

Erhoben zur himmlischen Königswürde
„Selig bist du, Maria, weil du geglaubt hast, dass sich erfüllt, was der Herr dir sagen ließ!“
(Lk 1,45). Der Mittelschrein eines Marienaltars öffnet einen Blick in „den Königspalast, in die ewige heilige Stadt“, Christus lässt seine Mutter an dieser Herrlichkeit teilnehmen; er zeigt es, indem er ihr – in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Heiligen Geist – die Krone reicht. Christus selber genügen zum Erweis seiner Herrschaft das Zepter und der Sitz zur Rechten des Vaters. In der Krone über dem Haupt Mariens kreuzen sich die Bildachsen:
Die eine Achse führt von der Geisttaube zur Jungfrau  –  und die andere vom Vater zum Sohn: Wie Vater und Sohn über die Krone der Gottesmutter verbunden sind, so sind es auch der Heilige Geist und die Jungfrau Maria.
Hubert Gaisbauer, Krems a.d.Donau

TAFEL 3    Basilika Seckau, Bischofs-Kapelle, Schnitzaltar (1489): „Trinitarische Marienkrönung“

Der eine Gott ist mehr als einer.
Diese Darstellung der Dreifaltigkeit ist eine Botschaft:
Gott ist einer.  –  Gott ist mehr als einer.
Er ist die Fülle: Ein Körper, zwei Hände, zwei Füße, drei Köpfe. Ein Wesen und drei Personen.
Gott ist ein lebendiger Gott.
Gott ist nicht einsam, denn er ist ein Gott, der mit uns Menschen mitfühlt. Er hat auf Erden gelebt wie wir, mit allen Freuden und mit allem Scheitern.
Gott wirkt als Dreifaltiger. Alle drei Personen haben gemeinsam nur zwei Hände.
Gott, der Dreifaltige, krönt Maria.  –  Der Mensch ist für ihn das Wichtigste.
Gott ist der Drei-Eine.
Er ist mehr und größer, als wir ihn in unseren kühnsten Träumen uns vorstellen können.
Vergessen wir das Bild, wenn wir seine Botschaft vernommen haben, denn sich den Drei-Einen mit drei Köpfen vorzustellen, ist unsinnig.
P. Severin Schneider OSB, Abtei Seckau

TAFEL 4    Mariazell, Basilika, Hochaltar von Johann Bernhard Fischer v. Erlach  (1705)

Der Drei-Eine rettet die Menschheit und die Welt
Der Weg unzähliger Pilger, die aus vielen Ländern nach Mariazell kommen, führt zunächst zur Gnaden-Kapelle. Im alten Gnadenbild hält Maria das Jesus-Kind den Pilgern vor Augen.
Am Hochaltar aber zeigt ihnen Gott, der ewige Vater, selbst seinen gekreuzigten Sohn. Er hebt ihn aus Leiden und Tod empor zur goldenen Sphäre des Himmels, in deren Zentrum sich der Heilige Geist in Gestalt einer Taube zeigt, umgeben von goldenen Strahlen.
Dieser himmlische Goldglanz steht im Kontrast zum kühlen Silber des gekreuzigten Leibes Christi und der Gestalt Gott-Vaters, der in die Sphäre des menschlichen Leidens und Sterbens abgestie-gen ist, um seinen Sohn in die Glorie des Himmels emporzuheben.
Gott erscheint hier nicht als der strenge Richter, der nur durch das Blut seines Sohnes mit der sündigen Menschheit versöhnt werden kann, sondern als der liebende, barmherzige Vater, der in seinem Sohn die Schuld der Welt auf sich genommen hat.
Sosehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn für uns hingab.
Wer an ihn glaubt, hat Teil an seinem Leben!  (Joh 3,16)
Diözesanbischof Egon Kapellari, Graz

TAFEL 5    Murau  und  Rothenthurm, Hinterglasbilder nach alten Originalen: „Das Drei-Gesicht“
„Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten!“
Das alttestamentliche Beten, das durch die Psalmen christliches Beten geworden ist, kennt alle Höhen und Tiefen des Lebens. Und das Suchen nach der Gegenwart Gottes findet einen einpräg-samen Ausdruck: „Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten!“ (Ps 4,7)
Dahinter steht die Erfahrung, dass Gott uns in seiner Erhabenheit entzogen ist. Gott erscheint uns wie ein Versprechen aus einer längst vergangenen Zeit.
Wird es eingelöst werden?  –  Wird Er es einlösen?
Die Darstellung des drei-einen Gottes als „Drei-Gesicht“ ist eine Antwort auf diesen Ruf. Der unfassbare Gott ist aus seiner Verborgenheit herausgetreten und hat uns tatsächlich sein Angesicht zugewendet:
Im Leben der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob, im Wirken der Propheten, zuletzt und ganz anders in Jesus von Nazareth, dem Mensch gewordenen Gottessohn.
Gott hat sich zu erkennen gegeben als einer, der auf uns schaut. Er hat auf das Suchen, Fragen und Beten der Menschen geantwortet. Nicht so wie wir ihn uns vorstellen, sondern als ein Gott, der auch in seiner Zuwendung das Geheimnis  der „Drei-Eins-heit“ ist und bleibt.
Geheimnisvoll ist Gottes Blick, und doch: Welche Nähe und welche geheimnisvolle Umsicht. Er nimmt uns,  ja, er nimmt mich in seinen Blick. Und ich darf gewiss sein: ich stehe nicht dem Nichts gegenüber, sondern diesem Gott, der mir sein Gesicht zuwendet.
Bernhard Körner, Graz

TAFEL 5A    St.Ulrich (Utsch) bei Bruck a.d.Mur, Ölbild (vor 1700):
Vom „Drei-Gesicht“ zum „Drei-Kopf“
Wer ist und was bedeutet diese Gruppe von Wirrköpfen?
Bei längerem Betrachten ist zu erkennen, dass ein erstes Dreifaltigkeits-Bild – ein einziger Kopf mit drei Gesichtern, von denen eines auf den Betrachter gerichtet ist, die zwei anderen aber geradeaus nach rechts und nach links blicken, schon bald nach seinem Entstehen verändert worden ist.  –  Es ist aber ein Dreifaltigkeits-Bild geblieben.
Das „Drei-Gesicht“ wurde zum „Drei-Kopf“ erweitert
°    durch geringfügige Ergänzungen rechts und links  und
°    durch Hinzufügen von Trennlinien rechts und links neben dem mittleren Gesicht.
Das Bild mit seinen Änderungen gibt Einblick in das Ringen um die richtige und am ehesten verständliche Ausdrucksweise für die Einsheit wie auch für die Dreiheit Gottes.
Christen bekennen, dass sie an einen Gott glauben – daher ist nur ein Körper mit zwei Schultern und zwei Armen zu sehen –, der sich aber in drei-facher, besser gesagt: in drei-personaler Weise den Menschen offenbart.
Daher zuerst drei Gesichter an einem Kopf, dann drei Köpfe auf einem Körper.
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 6    Bruck a.d.Mur, Minoritenkirche, Holzplastik (1664):  Hl. Familie – Flucht nach Ägypten

„Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“
Ein unbekannter Gönner ließ diese Tafel schnitzen „zu Lob und Ehre der heiligen Dreieinigkeit und der reinsten Jungfrau Maria“.
Gott-Vater und die Geist-Taube erscheinen auf einer Wolke, während die Gruppe der Flüchtenden unter schattenspendenden Bäumen an einem Bach Rast macht. Der Knabe Johannes, der später Jesus am Jordan taufen wird, ist auch dabei.
Ganz selten ist der Drei-Eine auf dem Flucht-Bild zu sehen. Eine schlüssige Erklärung dafür ist im biblischen Text zu finden: Matthäus erzählt von Josephs Traum und von der anschließenden Flucht mit Mutter und Kind nach Ägypten (Mt 2,15) und er den zitiert Prophet Hosea: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ (Hos 11,1)
Die Bezeichnung mein Sohn erinnert an die Taufe Jesu, wo es heißt: „Der Himmel öffnete sich, und der Geist kam wie eine Taube auf ihn herab. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen.“  (Mk 1,10-11)
Doch die sorglose Ruhe ist bedroht:  Während Johannes dem kleinen Jesus in Anspielung auf die Eucharistie und auf die Brotvermehrung eine Schale mit fünf Broten und einer Traube reicht, sind im Hintergrund schon die mordenden Häscher des Herodes zu sehen.
Hubert Gaisbauer, Krems a.d.Donau

TAFEL 7    Maria-Straßengel, Steinplastik (um 1350):  „Verkündigung an Maria“

„Und das Wort ist Fleisch geworden.“  (Joh 1,14)
Wer die Wallfahrtskirche durch das Westportal betritt, wird mit einer „Verkündigung an Maria“, dem Bild vom „Eintritt“ des Erlösers in die Welt, begrüßt: Gesandt vom Vater, durch das Wirken des Geistes ist der Sohn im Schoß von Maria Mensch geworden, um uns zu retten. Aus dem Mund des Vaters fährt das Ewige Wort – als kleiner Mensch in Knechtsgestalt –zur Welt herab; ihm voraus stürzt aus den Himmelshöhen die Geist-Taube direkt an das Ohr der Jungfrau.
Des Engels rechter Fuß zeigt an, dass er sich beim Eintritt zu Maria auf eine „höhere Ebene“ begibt, zu einer mit vornehmem Mantel und Krone geschmückten Braut, deren Körperhaltung, Antlitz und Gebärde bildlich den entscheidenden Satz sprechen:
„Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“  (Lk 1,38).
So wird Maria selbst zur „Pforte des Himmels“, angedeutet im offenen Torbogen über ihr.
Tuch, Vase und Lilie weisen auf die Reinheit Marias hin;
das Lesepult und ein turmartiges Buchschränklein in der Mitte zeigen sie als schriftkundige Frau mit sieben Büchern; im aufgeschlagenen Buch liest sie: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen.“  (Jes 7,14).
Hubert Gaisbauer, Krems a.d.Donau

TAFEL 8    Graz-Leechkirche (jetzt Museum des Deutschen Ordens in Wien), Tafelbild (1442):  Der Drei-Eine und die gekrönte Jungfrau Maria

Gott der Schöpfung und Erlösung
Das gotische Tafelbild greift die in den Ostkirchen übliche Darstellung der Dreifaltigkeit in drei gleichen Figuren auf. Jede der drei göttlichen Personen trägt den „Reichsapfel“, Symbol der Schöpfung und der Herrschaft über die Welt in der Rechten. Alle drei haben dasselbe Jesus-Gesicht.Vor dem dreifaltigen Gott kniet Maria als Urbild des erlösten Menschen. Sie trägt die gleiche Krone wie die drei göttlichen Personen.
Schöpfung, Erlösung und Vollendung sind das Werk des Drei-Einen: Der ewige Vater hat die Welt erschaffen durch sein göttliches Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns wohnt, und in seinem Heiligen Geist, den wir „mit dem Vater und dem Sohn als Herrn und Lebensspender“ anbeten.
Mit Maria sind wir zu einem Heiligen Volk und einer königlichen Priesterschaft erwählt.
Generalvikar Heinrich Schnuderl, Graz

TAFEL 9    Graz, Leechkirche, Glasmalerei (vor 1300): Der Drei-Eine

Lebendige Dynamik im drei-einen Gott
Im Mittelfenster ist dreimal dasselbe jugendliche Gesicht zu sehen. Im nördlichen Fenster hingegen zeigen sich die drei göttlichen Personen als Ganzkörperfiguren, die mit den lateinischen Bezeichnungen für Vater, Sohn und Hl. Geist eindeutig bestimmt sind.
Die Bilder der beiden Fenster sind auch in ihrer Beziehung zueinander zu deuten.
Die vom einfallenden Licht erhellten Scheiben zeigen ein Wechselspiel der Ruhe der drei völlig gleichen Gesichter und der unglaublichen Dynamik der drei Ganzkörperfiguren.
Spannung liegt in den Blickachsen der drei Personen zueinander.
Kraftvoll zeigt sie sich in den jugendlichen Gestalten und im bewegten Lauf und von Sohn und Geist einander zu.  Der Vater thront über ihnen, … oder nimmt er an ihrem Tanz teil?
In Gott ist größte Bewegung, … zugleich auch die absolute, zu sich selbst gekommene Ruhe, … geheimnisvolle, wunderbare Harmonie im Widerspruch! zugänglich nur dem Glauben.
Die Lichtgestalten hoch oben in der Apsis sind nur im konzentrierten Blick von unten her zu sehen. Doch wer sie sucht, wird sie auch finden. Sie laden ein zur Meditation.
Hochschulseelsorger Alois Kölbl, Graz

TAFEL 10    Graz, Dom, Fresko des Thomas von Villach (1485):  „Die Gottesplagen“

Kehrt um, und Gott wird euch gnädig sein!
In den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts erlebte die Steiermark schwere Heimsuchungen:
Pest-Epidemien, Hungersnot und Krieg brachten Verarmung ins Land. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist damals ums Leben gekommen.
Es gab nur eine Erklärung dafür: Schwer sündhaftes Treiben hat Gottes Zorn geweckt.
War das Jüngste Gericht angebrochen?
Die Bürger der Stadt Graz versprachen Umkehr. Und sie gelobten, ein großes Bild malen zu lassen. … Die Plagen nahmen ein Ende.
Meister Thomas von Villach gelang es, die Plagen als Gottes-Gericht in das Bild zu bringen:
°    Ganz unten sind die Plagen und Beerdigungen vor der ältesten Ansicht von Graz dargestellt;
°    Oben thronen die drei göttlichen Personen und richten Zornesstrahlen gegen die böse Welt;
°    Maria und Johannes der Täufer spannen fürbittend ein Tuch aus, das weitere Blitze abhält.
Im Drei-Einen wohnen Gerechtigkeit und gnädiges Erbarmen, …
doch „Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht!“  (Jak 2,13)
(Siehe auch Tafel 4 und 17)
Weihbischof Franz Lackner, Graz

TAFEL 11    Graz, Bischofhof, Ölbild um 1750:  „Das Mitleiden des Vaters“

„Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“ (Jak 2,13)
Hier ist es nicht Maria, sondern Gott-Vater, der bekümmert seinen toten Sohn auf dem Schoß hält. Die erschreckt aufflatternde Geist-Taube vervollständigt dieses Bild zur „Trinitarischen Pietà“, das in der Kunstgeschichte „Mitleiden des Vaters“ (Compassio Patris) oder auch „Not Gottes“ genannt wird.
Die Botschaft des Bildes steht in Widerspruch zur Droh-Botschaft des Jüngsten Gerichts, die alle Sünder in die Hölle verdammt. Es ist die Froh-Botschaft der Liebe, die besonders deutlich bei den Evangelisten Lukas und Johannes zu finden ist:
°    „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn für uns hingab“ Joh 3,16).
°    Aus Liebe zu den Sündern ist der ewige Sohn zum „verlorenen Sohn“ geworden, den nach seiner Heimkehr der ihn erwartende Vater in die Arme schließt (Lk 15,11-32).
Das Erbarmen des Vaters gilt seinem mensch-gewordenen Sohn und mit ihm allen, die seiner Barmherzigkeit bedürfen, weil sie sonst im Gericht nicht bestehen könnten.
Wahrhaft eine Trost-Botschaft für alle, die sonst verzweifeln müssten.
(Siehe auch TAFEL 4 und TAFEL 10)
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 12    Graz, Pfarrkirche St.Andrä, Oberbild des Rosenkranz-Altares  (vor 1750):  „Rosenkranz-Trinität“

Drei Blütenkränze heiliger Sympathie
Gott-Vater, alt und weise, mit Weltkugel und Zepter; zu seiner Rechten Gott-Sohn, jugendlich und stark; das Kreuz wird hinter ihm von einem Engel hochgehalten. Darüber schwebt die Heilig-Geist-Taube in goldenem Strahlenkranz; rundherum assistiernde Engel und Engelsköpfe … Das Überraschende zeigt sich in der senkrechten Linie des Bildes zwischen den drei göttlichen Personen: drei Kränze mit je fünf eingeflochtenen Rosenblüten.
° den unteren Kranz mit rosaroten Blüten hält Christus in die Mitte des Bildes.
° den mittleren Kranz mit den goldenen Blüten hält Gott Vater genau darüber,
° den oberen mit weißblühenden Rosen hält die Geist-Taube.
Diese dreifach krönende Geste gilt der Rosenkranzkönigin Maria, die nicht auf diesem Bild zu sehen ist, wohl aber darunter auf dem Altarbild dargestellt ist.
Die den Betrachtenden zugewandten Rosen in den drei Kränzen eröffnen einen weiteren Sinn des Bildes. Sie erinnern an das Rosenkranzgebet in seinen drei Fassungen: dem freudenreichen, dem schmerzhaften und dem glorreichen Rosenkranz, die in je fünf Geheimnissen das Christus-Geheim-nis betrachten, von der Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist, über Kreuz, Tod, Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung bis zur Krönung Mariens im Himmel.
Das Geheimnis der Liebe Gottes und die Aufrichtung des Menschen zu seiner göttlichen Würde erscheinen wie blühende, duftende Kränze, die Leben, Freude und Ewigkeit verheißen.
Peter Ebenbauer, Graz

TAFEL 13    Graz, Pfarrkirche St.Andrä, Dreifaltigkeits-Altar von Philipp Jakob Straub (um 1760)

Gott verschenkt sich
Gott-Vater tanzt mit ausgestreckten Armen aus dem Wolkenmeer. Der Allmächtige hat kein Zepter in der Rechten. Er macht auch keine zurückweisende Handbewegung mit der Linken wie sonst im Gericht. Der Schöpfer von Himmel und Erde „entäußert“ sich – er wird nackt gezeigt –, um sich seiner Schöpfung und dem Menschen zu zuwenden.
Im Torbogen, der den Altar in eine obere und eine untere Zone gliedert, befindet sich eine ovale Öffnung, durch welche die Geist-Taube mit sieben goldenen Zungen herabkommt.
An die Geistausgießung zu Pfingsten (Apg 2) ist ebenso zu denken wie an die Taufe Jesu (Mk 1,10). Das Herabkommen des Geistes gehört zur Offenbarung des Drei-Einen dazu. Der Geist ist es, der in einer „Inspiration“ – das heißt „Einhauchung“ – das  Geheimnis des Drei-Einen kundtut.
Diese Geistausgießung an der Schwelle zwischen dem göttlichen Bereich und dem irdischen Bereich darunter, geht fließend in das Kreuz über und zur Gestalt des Gekreuzigten.
Jesu Tod am Kreuz ist Ort und Zeit der Geist-Sendung. Im entscheidenden Moment seiner Hingabe haucht Jesus seinen Geist aus, und er haucht ihn seiner Kirche ein.
Hermann Glettler, Graz

TAFEL 14     Weiz, Tabor-Kirche, Fresko  (nach 1400)

Eine merkwürdige doppelte Dreifaltigkeit
Dass Gott im Christentum vor allem männlich zu denken sei, ist die Kunde traditioneller Theologie und rechter Lehre. Aber: Nicht erst seit dem Eindringen feministischer Rede in die Gottesvorstellung ist das Weibliche ein Thema des christlichen Gottesbildes.
In der Tabor-Kirche in Weiz, im 12. Jahrhundert erbaut und reich mit Fresken ausgestattet, ist an der Nordwand ein „Gnadenstuhl“ zu sehen, Gottvater auf dem Thron, der das Kreuz seines Sohnes in die Hände nimmt, und daneben sitzt eine in Haltung und Größe ganz gleichrangige Frau mit zwei Kindern auf ihrem Schoß.
°     Gott-Vater und Jesus breiten Arme und Hände aus: Der Vater nimmt das Opfer seines Sohnes an.
°     Die Hände auf der Frauenseite greifen zusammen: Die Mutter hält die beiden Kinder, die einander mit ihren Händchen berühren.
Die genaue Kontur und der exakte Pinselstrich stammen leider nicht mehr aus dem beginnenden 15. Jahrhundert, sondern aus dem Jahre 1934, als Fritz Silberbauer ein Jahr nach der Entdeckung der übermalten Fresken fehlende Partien ergänzt hat.
Wo ist der Heilige Geist in diesem „Gnadenstuhl“?
Wurde er vergessen? oder vom restaurierenden Künstler einfach übersehen? …
oder ist er ganz fein zwischen dem Mund des Vaters und dem Kopf des Sohnes zu finden? …
Oder ist er ganz auf der weiblichen Seite zu finden, wo Anna ihre Tochter Maria und ihren Enkelsohn Jesus auf dem Schoss sitzen hat?  –  Dieses Bild wird „Anna Selbdritt“ genannt.
Johannes Rauchenberger, Graz

TAFEL 15    „Anna Selbdritt“  –  ein Bild-Aufbau wie ein Dreifaltigkeits-Bild
a.  Wallfahrtskirche Maria-Strassengel, Holzplastik am Anna-Altar  (um 1650)
b.  Graz,  Stadtpfarre zum Hl. Blut Jesu,  Ölbild  (um 1780)
Wie eine Mutter sorgt sich Gott-Vater um die Seinen.
Die Bilder der Drei-Einheit Gottes haben zu weiteren Bildwerken angeregt, die einen ähnlichen Aufbau erkennen lassen. Die bekanntesten sind „Die heilige Familie“ und „Anna-Selbdritt“. An oder in allen Kirchen und Altären, die der hl. Anna geweiht sind, sind Bilder oder Statuen „Anna-Selbdritt“ zu finden.
Die hl. Anna – die Mutter der Gottesmutter Maria – nimmt den zentralen Platz von Gott-Vater ein; auf ihren Armen trägt sie ihre Tochter Maria und ihren Enkel-Sohn Jesus.  –  Diese Anordnung entspricht auch dem Grundriss der Wallfahrtskirche von Maria-Strassengel: Rechts und links vom vorderen Chor des Mittelschiffes befinden sich die ganz gleich gestalteten kleineren Chor-Ab-schlüsse der Seitenschiffe.
Auf dem zweiten Bild steht Maria zur Rechten ihrer Mutter, wie der Sohn zur Rechten des Vaters. (Siehe auch TAFEL 26 und 27)
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 16    „Trinität“ in der Volks-Frömmigkeit
a.  Hinterglas-Ikone aus Rumänien, „Der Drei-Eine krönt die Kirche“

„Löscht den Geist nicht aus!“  (1Thess 5,19)
Auf den ersten Blick meint man eine Marienkrönung vor sich zu haben. Bei genauerem Hinsehen sieht man aber, dass nicht Maria, sondern dass an ihrem Platz ein Haus gekrönt wird, auf dessen Dach Flammen zu sehen sind.
Man könnte daraus schließen, dass es sich um ein Votiv-Bild handelt, eine Anrufung des Drei-Einen um Schutz vor Feuersgefahr oder eine Dankesgabe für Rettung aus Feuersgefahr.  –  Doch auch das ist es sicher nicht, denn das Kreuz auf dem Dach weist das Haus als Kirche aus.Die göttlichen Personen Vater und Sohn krönen die Kirche in genau derselben Geste, wie sie sonst Maria krönen. Maria ist ja ein Urbild der Kirche. Sendung und Aufgabe, die Maria anvertraut waren, sind seit den Tagen der Apostel der Kirche anvertraut.
°    Die Kirche muss – wie Maria – auf das Wort Gottes hören und ihm Glauben schenken, damit es durch die Kraft des herabkommenden Geistes in ihr „Fleisch“ (Mensch) wird.
°    Sie schenkt – wie Maria – dem von ihr geborenen Leib Christi durch die Taufe immer und überall neue Glieder: Kinder des Vaters, belebt durch den Heiligen Geist.
°    Sie bringt – wie Maria – Christus zur Welt und zwar fortwährend und überall durch das alltägliche Lebens- und Glaubenszeugnis.
°    Sie ist – wie Maria – die königlich gekrönte Braut des Allerhöchsten.
Das Bild ist auch als Pfingst-Ikone zu verstehen:
Der Geist, verborgen in der Wolke, lässt seine sieben Gaben als Feuerströme auf die Kirche fließen, der das Feuer des Heiligen Geistes verheißen war und für immer anvertraut ist.
Philipp Harnoncourt, Graz

b. Votivbild aus St.Anna in Hartberg

„… und er war ihnen untertan.“  (Luk 2,51)
Die senkrechte Bild-Achse geht von Gott-Vater aus und endet über die Geisttaube abwärts im Jesus-Kind, das zugleich auf der Erde die Mitte einer „Anna-Selbdritt“ bildet.
Wie bei Bildern der Taufe Jesu kann man auch hier das Zeugnis des Vaters hören und sehen: „Dieser ist mein geliebter Sohn! An ihm habe ich mein Wohlgefallen.“ (Mk 1,11)
Zum Herabsteigen des Sohnes Gottes gehört sein Hineinsteigen in eine Familie. Anstelle der
Hl. Familie und in der dort üblichen Anordnung der Personen ist aber hier eine „Anna-Selbdritt“ zu sehen; die hl. Anna nimmt den Platz des hl. Josef ein (vgl. TAFEL 18). Dass dieser fehlt, ist ein Hinweis auf die Jungfräulichkeit der Gottesmutter und auf die Gottes-Sohnschaft Jesu.
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 17    Die Dreifaltigkeit in der Volkskunst
a. Mitterdorf im Mürztal, Volkstümliche „Trinität“

Zum Heilsplan Gottes
Diese Plastik ist kein Dreifaltigkeits-Bild, aber ganz ähnlich angelegt: Sie zeigt Anna als vornehme Frau, die
ihrer Tochter aus einem Buch vorliest: Mutter Anna als Lehrerin (Mater et Magistra).
Hinter den beiden Frauen steht Gott Vater, der seine Rechte segnend über Anna und Maria erhebt.   –  Sein Haupt ziert ein Dreieck als Ausdruck von Macht, Stärke und Weisheit.
Das Dreieck – oft als „Auge der Vorsehung Gottes“ gedeutet – ist das älteste und bekannteste Dreifaltigkeits-Symbol: Gott ist Drei in Eins.  Gott ist ewige Liebe.
Er selbst ließ in Anna Gnade walten und erwählte sie, die Mutter der Mutter seines Sohnes – des künftigen Erlösers Israels und der ganzen Welt – zu werden.
Edith Prieler, Graz

b.  Oberzeiring:  „Anna-Selbdritt“
Das Kreuz des Lebens
Alles in diesem Bild hat seinen guten Platz: Das Kind in den Armen seiner Mutter Maria und seiner Großmutter Anna, und Gott über allem; dazwischen – alle verbindend – der Heilige Geist. Anna umfängt ihr Enkelkind. Dieses hält mit der linken Hand das Kreuz, das Zeichen dessen, was es zu erleiden haben wird.  –  Die Arme Gott-Vaters nehmen diesem Zeichen viel von seinem Schrek¬ken, aber erst die Verbindung, die der Heilige Geist zwischen Himmel und Erde zu schaffen ver¬mag, bahnt der bedingungslosen Liebe aller hier abgebildeten Figuren den Weg.
Der Geist macht jenes Kreuz wahrnehmbar, das durch die Verbindung aus dem Querbalken unseres menschlichen Daseins und der himmelwärts strebenden Einheit der drei göttlichen Personen entsteht. Dieses alles einschließende Kreuz ist Zeichen der Erlösung, die uns durch kleine Kind uns zuteil
Anna Maria Hollwöger, Graz

TAFEL 18    Murau, Pfarrkirche, Fresko (um 1400):  „Verkündigung an Maria“

„Der Engel des Herrn brachte Maria die Botsachaft, und sie empfing vom Hl. Geist“
Auf den ersten Blick fällt auf, dass die zwei wichtigsten Figuren – der Engel Gabriel und Maria – keine Gesichter haben. Die Muslime im osmanischen Heer, das um 1480 das obere Murtal heim-gesucht haben, haben diese Gesichter herausgekratzt, weil das für sie unerlaubte Bilder waren. Und doch ist die Botschaft des
Bildes klar erkennbar geblieben:
Es gibt eine unsichtbare Linie, die aus dem Mund Gott-Vaters kommt und hin zum Ohr der Jungfrau Maria führt: Sie wird gebildet vom Jesus-Kind, das kopfüber der hinabstürzenden Geist-Taube folgt, die mit ihrem Schnabel das Ohr Marias berührt.
Die Jungfrau empfängt durch das Hören der Botschaft und ihre Zustimmung: „… mir geschehe wie du es gesagt hast!“  (Luk 1,38)
(Siehe auch den Text zu TAFEL 7)
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 19    Murau, Pfarrhof, Ölbild (vor 1700):  Dreifaltigkeit und Heilige Familie

Die Heilige Familie  –  Abglanz der göttlichen Drei-Einheit
Fröhlich beschwingt wandert die Heilige Familie über das Feld: Der kleine Jesus tänzelt vorwärts; „Vater“ Josef neigt sich ihm zu und fasst ihn am Arm; Maria, seine Mutter, hält mit ihnen Schritt. Die drei, ein Dreiklang im Einklang. Und so pilgern sie Jahr für Jahr zum Osterfest nach Jerusalem.
Zuversicht und Liebe sprechen aus ihrer aufrechten Haltung.
In Jesus teilt sich Gott selbst den Menschen mit. Er offenbart sich, indem er in eine Familie hinein-geboren wird. So ist die Heilige Familie – wie jede Familie – eine Ikone des Drei-Einen.
Denn am 5. Schöpfungs-Tag der sprach Gott: „Lasst uns den Menschen machen nach unserem Abbild, … als Mann und Frau schuf er sie. … Und die zwei werden eins sein.“ (Gen 2), … und schließlich aus göttlich-fruchtbarer Liebe drei!
Edith Maria Prieler, Graz

TAFEL 20     Die Drei-Einheit Gottes auf Grabsteinen   –   Adriach b. Frohnleiten und Wildon

Der ewig Drei-Eine wirkt in die Zeit.
Der Grabstein in Adriach ist durch ein breites Spruchband in zwei Zonen gegliedert. Die obere, durch einen Halbkreis begrenzt, weist auf den Himmel hin, den Sitz des Drei-Einen.
Die drei Personen Gottes sind als drei Menschengestalten dargestellt:
°  Der Vater thront in der Mitte mit segnend oder richtend erhobener Rechten.
°  Der Sohn, erkennbar am Kreuz und an der Seitenwunde, sitzt zur Rechten des Vaters.
°  Der Heilige Geist, in Menschengestalt dargestellt, reicht dem Vater die Weltkugel.
Die untere Zone, die die geschaffene Welt bedeutet, ist nochmals in zwei Zonen unterteilt. Auf der Erde knien Niclas und Sophia Werndl mit ihren Kindern  –  drei Söhne vor dem Vater, sechs Töchter vor der Mutter.
Vor und über ihnen ragt das Kreuz, an dem Jesus verblutet, bis in den Himmel. Vier Engel fangen in Kelchen das aus den Wunden strömende Blut des Erlösers auf.
Den Himmel und die Erde verbindet eine zweite Dreifaltigkeits-Darstellung, denn zwischen dem thronenden Vater und dem gekreuzigten Sohn sitzt die Geist-Taube mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Spruchband.
Vom Heiligen Geist war der Sohn Gottes empfangen, als er für uns Mensch geworden ist, und sterbend hat er seinen Geist in die Hände des Vaters gegeben.
Nach der Sintflut hat die Taube Frieden verkündet.
Auch auf dem Grabstein in Wildon sind die göttlichen Personen in gleicher Stellung und an gleicher Stelle wie in Adriach als drei Männer dargestellt.
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 21     Rein, Stiftsbibliothek, Messbuch-Handschrift (1493), Dreifaltigkeitsfest,
im Anfangsbuchstaben B: „Mitleiden des Vaters“
Gott hält alles in seinen Händen
Man sieht Gott Vater mit dem toten Jesus auf seinem Schoß und darüber die Geist-Taube.
Diese Darstellung stellt das Geschehen von Golgota in den großen Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung: Gott hält alles in seinen Händen.
Die Worte Jesu am Ölberg können wir vor diesem Hintergrund besser einordnen: „Vater lass diesen Kelch an mir vorüber gehen, … doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mk 14,36)
Auch die Worte Jesu am Kreuz: „Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46) er-halten hier ihre größte Tiefe.
Noch etwas muss beachtet werden: Der tote Jesus auf dem Schoß seines himmlischen Vaters hat die Augen offen, sein Blick trifft sich mit dem Blick seines Vaters.
In Jesus haben wir einen Fürsprecher beim Vater (1 Joh 2,1f) und wir denken an die Empfehlung Jesu, „Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben“ (Joh 16,23). Und die Kirche nimmt dies auf, wenn sie alle Gebete im Gottesdienst schließt:  „darum bitten wir durch Christus unseren Herrn“.
Der Blick des barmherzigen Vaters auf Jesus gilt und trifft auch uns. Wir sind diejenigen, die er nicht fallen lässt.
P. August Janisch OCist, Stift Rein

TAFEL 22    Groß-St.Florian, Pfarrkirche, Turmkapelle  (vor 800 oder nach 1300): „Drei-Gesicht“

Der ewig Drei-Eine
Ein erster Blick macht ratlos, aber auch neugierig: Was bedeutet dieser Schlussstein?  –  Die Kreisform – weil ohne Anfang und ohne Ende – stellt den Ewigen vor Augen. Er ist nur Einer. –  Doch der Eine zeigt sich in drei ganz gleichen Gesichtern, die aber so sehr als Einheit dargestellt sind, dass der Bart jedes Gesichts zugleich auch das Haupthaar des nächsten Gesichts bildet.Über die Herkunft dieses Steins ist nichts bekannt.  –  Wurde er irgendwo gefunden und hier als Schluss-Stein in ein Rippengewölbe eingefügt?  Oder wurde er eigens dafür geschaffen? In Gegenden, die von Kelten besiedelt waren, wurden etliche dreigesichtige Skulpturen aus vorchristlicher Zeit gefunden. Deren Deutung ist ungdewiss:  –  Ist es das „Rad der Zeit“?
°  mit ihrer ständigen Wiederkehr des schon Gewesenen?
°  mit ihren drei Gesichtern: Zukunft – Gegenwart – Vergangenheit?
Dieser Stein bildet seit dem 14. Jahrhundert den Schluss-Stein in einem Kirchen-Gewölbe. Das weist auf eine trinitarische Deutung hin: Vater, Sohn und Geist sind der eine ewige Gott.
Der Glaubens-Satz, „In Gott sind drei Personen“ sagt, der eine und einzige Gott zeigt sich in drei Gesichtern. Doch er ist und bleibt auf ewig der eine und einzige Gott.
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 23    Das Dreieck als Konzept in der Architektur
a.  Bruck a.d.Mur, Hl.-Geist-Kapelle  (1495-1497)
Trinitarische und kosmische Architektur
Damit der Mensch sich in einem Raum wohlfühlen kann, muss dieser, ebenso wie sein Körper, ein Vorn und Hinten, Rechts und Links, Oben und Unten haben. Rundbauten und andere Zentral-Räume erhalten durch den Eingang ihre eindeutige Orientierung.
Der dreieckige Bau in Bruck, der 1495-1497 von sechs wohlhabenden Bürgern dieser Stadt gestiftet wurde, hat aber drei Portale und drei gleiche große Fenster; und in den jeweils gegenüberliegenden Ecken befanden sich drei Altäre, die Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Hl.Geist geweiht waren. Sie sind 1794 bei der Profanierung durch den Bischof von Leoben entfernt worden.
Die ausschließliche Orientierung nach Oben war ursprünglich noch verstärkt durch ein steiles Dach mit dreieckigen Dachflächen, die in ihren Maßen dem Grundriss entsprochen haben.
Einen solchen Bau gibt es nirgends in Europa, vielleicht sogar in der ganzen Welt nicht.
Das Drei-Eck – traditionelles Symbol für die Drei-Einheit Gottes – ist hier konsequent als das einzige form- und raumgebende Prinzip angewendet.
Die Symbolik des Drei-Ecks ist aber innovativ auf drei Ebenen erweitert:
°    Es ist und bleibt ein Hinweis auf die Drei-Einheit Gottes, des Schöpfers;
°    Es ist – als Ergebnis der Geometrie und Astronomie des 15. Jahrhunderts – der Schlüssel für das Verständnis und die Berechenbarkeit des geschaffenen Universums;
°    Es ist ein Hinweis auf Lösung von Konflikten im Zusammenleben der Menschen.
Im selben Jahrzehnt, in dem diese Kapelle erbaut wurde, hat Christoph Columbus seine drei Seereisen nach Amerika und hat Vasco da Gama seine Seereise nach Ostasien erfolgreich durchgeführt. Als erste vermochten sie die trigonometrische Navigation praktisch anzuwenden. Auch alle heute benützten Navigations-Instrumente (GPS usw.) folgen diesem Prinzip.
Schöpfer und Schöpfung, Himmel und Erde sind aufeinander bezogen und gehören zusammen.  –  Der Schöpfer hat den Menschen geschaffen – Mann und Frau als Abbild des Drei-Einen – und in den Garten gesetzt, damit er ihn behüte und bebaue. (Gen 1,26-27; 2,15). Die Schöpfung – Boden, Wasser und Luft – ist dem Menschen zur Bewahrung anvertraut, nicht aber zur Ausplünderung!
Der Drei-Ecks-Bau geht im oberen Teil seines Inneren durch die Überwölbung der Altäre in einen harmonischen Sechs-Eck-Raum über, der von einem wunderbaren und gut erhaltenen Stern-Rippen-Gewölbe bekrönt wird.  –  Auch darin ist eine wichtige Bedeutung zu erkennen:
° Der Drei-Eine hat die Erschaffung des Kosmos als sein Sechs-Tage-Werk vollbracht, und er hat am Siebenten Tag geruht und den Menschen diesen Ruhetag geschenkt.
Nach seiner Wiederherstellung soll dieser Bau seine Botschaft unübersehbar verkünden:
°  als Denkmal des drei-einen Schöpfers,
°  als Mahnmal zur Bewahrung der uns anvertrauten Schöpfung.
Philipp Harnoncourt,Graz

TAFEL 23A    Das Dreieck als Konzept in der Architektur
b.  Die „Kappl“ in Oberfranken, Dreifaltigkeits-Kirche  (1716)
… angeregt durch einen austreibenden Weidenstumpf

In einer abgelegenen Gegend bei Waldsassen in Oberfranken (Bayern) bestand im späten Mittelalter eine kleine hölzerne Wallfahrts-Kapelle zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit. Nach dem Sieg der Christen über die muslimischen Türken und der katholischen Gegenreformation über den Protestantismus erlebte diese Wallfahrt eine neue Blüte. Baumeister Georg Dientzenhofer erhielt den Auftrag für einen Neubau. Er fand in der Nähe einen Weidenstumpf, aus dem drei kräftige Triebe senkrecht in den Himmel ragten. Darin sah er die Anregung für seinen Neubau.
Der runde Zentralbau weist drei ganz gleiche hohe Türme auf, die ein gleichseitiges Dreieck bilden. Die Kirche hat aber nur einen Eingang und diesem gegenüber einen Hochaltar, so dass eine klare achsiale Ausrichtung gegeben ist. Die Bänke sind zum Hochaltar hin aufgestellt.
Die beiden Nebenaltäre im hinteren Bereich der Kirche bilden mit dem Hochaltar ein gleichseitiges Dreieck, so dass sich aus den beiden Dreiecken ein sechseckiger Davidsstern ergibt. Die Kirchweihe erfolgte 1716. Die Wallfahrtstradition lebt gegenwärtig nur noch in reduzierten Formen weiter.

c.  Stadl-Paura bei Lambach, Dreifaltigkeits-Kirche  (1725)
Drei Kirchen unter einem Dach
Diese der Dreifaltigkeit Gottes geweihte Kirche des Hochbarock weist in der Dreizahl und Stellung der Türme und der Altäre auf die Drei-Eins-heit Gottes hin. Um sie aber dem Menschen gemäß und der Liturgie der Kirche entsprechend zu gebrauchen, ist jeweils nur einer der drei Eingänge geöffnet und der gegenüberliegende Altar in Gebrauch. So entstehen drei Kirchen unter einem Dach, die nach bestimmten Regeln abwechselnd gebraucht werden.
Die Gott-Vater-Kirche, die Gott-Sohn-Kirche und die Hl.-Geistkirche haben einen gemeinsamen Mittelpunkt. Ihre Achsen, die einen regelmäßigen Sechser-Stern bilden, stehen im Winkel von 120° zueinander. Die Kirchenbänke werden dreimal im Jahr um 120° gedreht. Diese beiden Dreifaltigkeitskirchen sind mehr als 200 Jahre später erbaut worden als die Kapelle in Bruck. Sie sind als besondere Bauten bekannt geblieben, während der viel bedeutendere ältere Sakralbau in Bruck vollständig in Vergessenheit geraten ist.
Prof. Dr. Peter B. Steiner, Architektur-Historiker in München und Freising hat mir geschrieben:In meinem Kopf und meinen Büchern finde ich tatsächlich nichts Vergleichbares. Die spätgotische Dreifaltigkeitskirche in Bruck an der Mur ist wirklich ein einzigartiges Denkmal!
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 24     Sonntagsberg NÖ, Wallfahrtskirche zur allerheiligsten Dreifaltigkeit  (1706-1737) Gnadenbild, ein auf Leinwand gemalter „Gnadenstuhl“

„Hochgelobt sei die heiligste Dreifaltigkeit“
Diese große Basilika, weithin sichtbar auf einem Berg über dem Machfeld bei Amstetten, ist architektonisch ein traditioneller und nach Osten ausgerichtete Langhaus-Kirche, geplant und begonnen von Jakob Prandtauer, dem Erbauer des Stiftes Melk, und  .
Anziehungspunkt für die zahlreichen Wallfahrer ist das Gnadenbild: ein „Gnadenstuhl“, auf dem Gott-Vater, gekrönt mit der päpstlichen Tiara, thront und das Kreuz mit dem toten Sohn den Wallfahrern entgegenhält und zeigt: Sosehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn für uns hingab. Wer an ihn glaubt, hat Anteil an seinem Leben!
Das Bild lässt eine Gegenbewegung deutlich erkennen (Siehe dazu auch den Text zu TAFEL 1):
° aufsteigend:  Der Vater nimmt das Opfer – die Ganzhingabe des Sohnes – an,
° absteigend:   Durch das Opfer des Sohnes schenkt er den Menschen Vergebung und Leben.
Auch der anstelle eines Klingelbeutels gebrauchte Opferkasten ist mit einem geschnitzten „Gnadenstuhl“ geziert.
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 25    Graz,
a.   Dom, Hochaltar von Jakob Schoy  (vollendet 1729)

Der Drei-Eine krönt die Gottesmutter
Maria, die Mutter Jesu, ist das Urbild der Kirche und jedes einzelnen Christen. Ihre Krönung durch den Drei-Einen zeigt ihre Vollendung an, aber auch das, was Er mit seiner Kirche und mit allen Christen vorhat.
°    Die Kirche ist die königliche Braut, mit Gott vermählt und Mutter aller Gläubigen.
°    Die Christen sind eine königliche Priesterschaft, durch Christus berufen, an seiner Herrlichkeit teilzunehmen.
Die Kirche schenkt durch die Taufe  Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes dem Leib Christi ständig neue Glieder.
Diese Darstellung, die den Hochaltar im Grazer Dom bekrönt, deutet an, dass der gesamte Kirchenraum auf die Vollendung hinweist:
°  Hier ist das Himmlische Jerusalem,
°  hier ist der Festsaal für das Hochzeitsmahl des Königs.
In den Gottesdiensten der Kirche ist den Christinnen und Christen ein Vorgeschmack ihrer Vollendung geschenkt.
Philipp Harnoncourt, Graz

b.    Karmeliterplatz, Dreifaltigkeitssäule  (1685)

„… aber ich bin hingerissen!“
Diese Säule wurde nach der Befreiung Wiens aus der osmanischen Belagerung 1683 auf Weisung von Kaiser Leopold I angefertigt und auf dem Hauptplatz in Graz aufgestellt.  Seit 1958 steht sie auf dem Karmeliterplatz.
Beim ersten kurzen Hinaufschauen – meistens blendet das Licht des Himmels – ist noch wenig von dem zu ahnen, wovon im Johannesevangelium so vielfach die Rede ist:
°  die innigste, sich verströmende Liebe des Vaters zum Sohn,
°  das liebevolle Aufnehmen von all dem, was der Vater gibt, sagt und verfügt durch den Sohn.
°  das Geben und Annehmen und Wiedergeben von gegenseitiger Liebe im Hl. Geist. …
Der Sohn sagt:
°    „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh 10,30)
°    „Ihr werdet erkennen und einsehen, dass in mir der Vater ist, und ich im Vater bin.“ (Joh 10,38)
°    „Alle, die glauben, sollen eins sein, wie du, Vater in mir bist, und ich in dir bin, so sollen auch sie in uns sein!  –  Damit die Welt glaube!“ (Joh 17,21)

*     *     *
Im 18. Jahrhundert betritt ein gelehrter kirchlicher Würdenträger in Rom eine der vielen kleinen Kirchen. Ganz hinten im Dunkel einer Ecke sieht er einen zerlumpten Bettler knien, ganz in Gott versunken, fast verzückt.  –
„Was betrachtest du gerade?“ fragt der Monsignore den Bettler.
„Die göttliche Dreifaltigkeit!“   –
„Aber, was verstehst denn du schon davon?“ entfuhr es dem Priester.
„Nichts, aber ich bin hingerissen!“
(Begebenheit aus dem Leben des hl. Bettlers und Pilgers Benedikt Josef Labre, 1748-1783)
Bischofsvikar Helmut Burkard, Graz

TAFEL 26     Wallfahrtskirche St.Anna am Masenberg bei Hartberg

In dieser kleinen Kirche auf dem Pilgerweg von Ungarn über Hartberg nach Pöllauberg gibt es eine Vielzahl ganz verschiedener Darstellungen der „Anna-Selbdritt“
a. Hochaltar, Holzplastik (14. Jhdt.):
Die Anordnung der Figuren im Dreieck weist auf ein Dreifaltigkeits-Konzept hin.
Hier thront die Mutter Anna auf dem Platz von Gott-Vater, ihre Tochter Maria und ihr Enkel sitzen auf ihren Knien  (siehe auch TAFEL  14).
b. rechter Seitenaltar, Holzrelief (Anf. 15. Jhdt.)
Hier sitzt die Mutter Anna auf der linken Seite und empfängt von ihrer Tochter Maria ihr Enkelkind Jesus.

TAFEL 27     Wallfahrtskirche St.Anna am Masenberg bei Hartberg
a.  im Triumphbogen: Votivbild mit vielen Figuren

„Einen Spross aus deinem Geschlecht will ich setzen auf den Thron“
Vertrautes findet man in der Bildmitte: den Jesusknaben und über ihm die Geist-Taube  –  beide  im Familienkreis mit der Mutter Maria, der Großmutter Anna, dem Großvater Joachim und dem Nährvater Joseph, der seine Lilie emporhält.
Diese familiäre Idylle ist ein „Bild im Bild“. Engel schmücken dieses Gruppenbild mit Krone und Mantel  –  oder sie haben es soeben enthüllt und laden zur allgemeinen Verehrung ein. Es ist ein Huldigungsbild: Jesus und seine Familie werden in den Fürstenrang des Stammvaters David erhoben, zu dem der Herr gesprochen hat: „Einen Spross aus deinem Geschlecht will ich setzen auf den Thron.“  (Ps 132,11)
Gott-Vater schaut durch das Guckloch im Strahlendreieck, ob alles nach seinem Willen geschieht.
Alle Personen bilden Dreiecksgruppen:
die Väter mit der Geisttaube, die Mütter mit dem Jesuskind  –  und auch zwei populäre Heilige, Johannes Nepomuk und Franz Xaver. Mit dem Kruzifix in der Hand weisen sie unseren Blick zu einer volkstümlichen Fassung des Gnadenbildes „Maria mit dem geneigten Haupt“, dessen kost¬bares Original bei den Karmeliten in Wien gehütet wird, hoch verehrt im Volk und im Kaiserhaus.
Neben der Würdigung der heiligen Großfamilie liegt noch eine zweite Botschaft in diesem Bild:  Vom fernen Auge Gott-Vaters gleitet der suchende und betende Blick über die Taube des Geistes auf das segnenden Jesuskind  –  und schließlich in die ersehnte Nähe des erbarmend geneigten Hauptes der gekrönten Jungfrau.
Alle dargestellten Personen schauen – besorgt und liebevoll – nach unten.
Hubert Gaisbauer, Krems a.d.Donau

b.    Nordwand der Kirche, Ölbild auf Leinwand  (18. Jhdt.):  Schlichtes Votivbild

… zur schuldigen Danksagung für eine Gebets-Erhörung
Der Aufbau dieses Votivbildes ist traditionell, und seine Deutung daher nicht schwierig.
Die große Stifter-Familie kniet unten:
°  rechts im Bild (für den Betrachter links) der Vater mit den Söhnen,
°  links die Mutter mit den Töchtern.
Über ihnen die Heiligen, denen sie ihren Dank abstatten.
Über ihren Tod hinaus bitten die dargestellten Personen alle, die dieses Bild betrachten um ihr Gedenken im Gebet.
Ganz oben eine „Trinitarische Marienkrönung“
Philipp Harnoncourt, Graz

TAFEL 28    Hirschegg, Anna-Altar, Ölbild (um 1600):   „Anna-Selbdritt“

Der Kleinste ist der Größte
Die Anordnung von Großmutter Anna, Mutter Maria, Kind Jesus in gerader Reihe hintereinander ist ganz ungewöhnlich, und darum ist dieses Bild schwierig zu deuten.
Nicht zu übersehen ist allerdings die Parallele zu jenen Dreifaltigkeits-Darstellungen, auf denen die drei göttlichen Personen in einer senkrechten Reihe übereinander angeordnet sind, wie üblicherweise auf Bildern der Taufe Jesu und auf Bildern der Heiligen Familie, in denen die Dreifaltigkeit erscheint (siehe TAFEL 6, TAFEL 17b  u.  TAFEL 19).
Das Jesus-Kind, hält ein goldenes Kreuz in den Händen. Das ist als Hinweis zu verstehen, dass Jesus durch seine Auferstehung das Schandholz, den Galgen der zum Tod Verurteilten, in das Zeichen seines endgültigen Sieges über Sünde und Tod verwandelt hat.
Der im Bild kleinsten Figur, dem Jesus-Kind, gebührt der höchste Lobpreis:
Wir beten dich an, Herr, Jesus Christus,
und preisen dich!
Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.
Philipp Harnoncourt, Graz

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